Schwanensee
Schwanensee ist vielleicht das bekannteste Ballett überhaupt. Die Kombination von Tschaikowskis ausdrucksstarker, sublimer Musik mit einer romantischen Märchenhandlung, die vielfältige psychologische Deutungen zulässt, und der hinreißenden Choreographie von Lew Iwanow für die zauberhafte Szene am Seeufer im zweiten Akt sorgt dafür, dass es zu jeder Zeit irgendwo auf der Welt gegeben wird. Rund um den Erdball entstanden zahlreiche Umarbeitungen und Nachschöpfungen; besonders der Schluss hat eine Reihe von Choreographen immer wieder nach neuen Lösungen suchen lassen. Schwanensee ist Tschaikowskis erstes Ballett und wurde 1875 vom Moskauer Bolschoi-Theater in Auftrag gegeben. Tschaikowski ging mit großem Eifer an die Arbeit und vollendete das Stück innerhalb eines Jahres; dabei griff er auf Teile des von ihm verworfenen Opernprojekts Der Wojewode und einige Passagen eines ebenfalls Schwanensee betitelten Stücks zurück, das er für seine Nichte und seinen Neffen geschrieben hatte. Die Choreographie für die Premiere am Bolschoi-Theater im Jahre 1877 war eine Arbeit des tschechischstämmigen Julius Wenzel Reisinger; die meisten modernen Produktionen gehen freilich auf eine Version zurück, die Marius Petipa und Lew Iwanow 1895 für das St. Petersburger Mariinski-Theater konzipierten. Für diese Version überarbeitete der Dirigent, Riccardo Drigo, auch die Partitur; seine Fassung wird noch heute von vielen Ballettkompanien benutzt. Rudolf Nurejew schuf seine erste Fassung 1964 für das Wiener Staatsopernballett. Sie gehört zu den düstersten Interpretationen der Geschichte. Viele traditionelle Produktionen enden mit der Vereinigung Odettes und Siegfrieds im Tode: Es wird angedeutet, dass die beiden gemeinsam ins Jenseits entschweben, und ihr Opfer erlöst die Schwanenmädchen aus dem Zauberbann. Die aktuell am Mariinski-Theater gegebene Fassung entstand noch zu Sowjetzeiten und schließt, im krassen Gegensatz dazu, mit einem Happy End, bei dem Siegfried den Zauberer Rotbart tötet und Odette aus dessen Verzauberung erlöst. Nurejew freilich legte seiner Bühnenfassung die Version, die Vladimir Burmeister 1953 für eine heute als Stanislawski Ballett Moskau bekannte Truppe anfertigte, und John Crankos 1963 für das Stuttgarter Ballett eingerichtete Fassung zugrunde. In beiden Fällen trägt Rotbart den Sieg davon, so dass am Ende keine Erlösung steht. Der Prinz ertrinkt, und Odette bleibt für immer zum Dasein als Schwan verdammt.
Hauptdarsteller:innen Vladimir Shishov, Olga Esina, Dagmar Kronberger
Regie Michael Beyer